Schleswig – Nordisches Savoir-vivre an der Schlei
Es ist ein warmer Sommermorgen im August. Die ersten Sonnenstrahlen spiegeln sich auf der Schlei und es sieht aus, als hüpfen sie wie silberne Pailletten auf dem Wasser hin und her. Schleswig erwacht in einem warmen Licht und ich spüre diese feine Brise auf meinem Gesicht. Ich schiebe meine Füße noch tiefer in den Sand, schließe meine Augen und hänge meinen Gedanken nach. Ob es wohl in Schleswig ein nordisches Savoir-vivre gibt? Oder ob Dichter, Künstler und Denker diese kleine Stadt an der Schlei in ihren Werken verewigt haben? Und dieses magische Licht. Wurde jemals über dieses magische Licht in Reiseführern geschrieben? Ich streiche mir den Sand von den Füßen und mache mich auf die Suche nach diesem besonderen Lebensgefühl in meiner Heimatstadt Schleswig.
Vom Ende dieser kleinen Bucht im Stadtpark schlendere ich Richtung Hafen. Vergnügt trollen zwei Hunde vor mir im Sand und ich beobachte, wie die Enten gemütlich über die Wiese laufen. Ich beschließe, heute der Leichtigkeit des Lebens zu verfallen und notiere in meinen Gedanken: „Flanieren.“ Es ist so ein schönes, altmodisches Wort und beschreibt doch gut meinen heutigen Willen, ohne besonderes Ziel in meiner Stadt umherzuschlendern. Ich überquere eine kleine Brücke und sehe schon am Horizont die Maste der Segelboote im Hafen von Schleswig.
Möwen & Segelmaste
Möwengeschrei liegt in der Luft. Sie kreisen flink durch die Lüfte und ihr Sound vermischt sich mit dem Klappern der Segelmaste. Segelboote, alte Kutter und Motoryachten liegen friedlich nebeneinander. Im Kaphörnchen sitzen ein paar Gäste und frühstücken. Zwei Frauen schwatzen laut fröhlich und zum Möwengeschrei mischt sich auch immer wieder unser norddeutsches Grußwort “Moin”. Ich ertappe mich dabei, wie mir ein Lächeln über das Gesicht huscht, denn während ich auf dem Bootssteg Nr. 2 flaniere, höre ich von einem Urlauberpaar ein sanftes, zögerliches “Moin”. Wäre Goethe hier flaniert, er hätte folgende Zeilen über unser “Moin” geschrieben:
“Nie hörst du es leise sagen.
Ein Grußwort, kraftvoll mit Liebe und Glück.
Mit einem Moin dich ans Herz gedrückt.”
Der Holm
Mit meinen Gedanken an Goethe verweile ich noch einen Moment auf dem Bootssteg und schlendere dann weiter zur Fischersiedlung Holm. Dieses kleine Fleckchen Erde in Schleswig ist so zauberhaft. Die kleinen Kopfsteinpflastergassen mit den pittoresken Häuschen begeistert mich immer wieder. Überall an den Häuschen stehen Rosenstöcke, die in ihrer vollen Pracht blühen. An den Haustüren stehen hübsch arrangierte Blumentöpfe. In einigen Häuschen befinden sich Ateliers für Kunsthandwerk. Wer reinschauen möchte, soll bitte klingeln, steht auf den Atelierschildern.
Die Fischer vom Holm
Zwischen den Häuschen gibt es einen kleinen Zugang zum Ufer der Schlei. Hier erhascht mein neugieriges Auge einen kleinen Blick auf die Holmer Fischer. Während ich die Reusen der Fischer betrachte und einer Möwe beim Landeanflug auf den Steg zuschaue, denke ich an den Schleswiger Fotografen Holger Rüdel, der 2019-2020 eine ausdrucksstarke Bildreportage über die Holmer Fischer gemacht hat. Der Holmer Fischerszunft liegt eine über 250-jährige Geschichte mit Traditionen und Werten zu Grunde. Das heutige Ambiente ist unverändert: Die Reusen und Fischernetze hängen in der Sonne, die Boote liegen im Wasser und die Arbeit der Holmer Fischer ist immer noch Handarbeit.
Wein & Feigen
Ich flaniere zurück ins Zentrum der Fischersiedlung und folge dem rauen Kopfsteinpflasterpfad Richtung St.-Johanniskloster. Links und rechts rieche ich nochmal an den schönen Rosenblüten und spaziere über einen schmalen Fußweg durch eine alte Baumallee hinein in das St.-Johanniskloster. Das Klostergelände ist ein einzigartiges Ensemble, das als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz steht.
Prächtig stehen diese alten Häuser in mitten eines riesigen Gartens. Mächtige Alleebäume zieren das Zentrum der Klosteranlage und neben schiefen Hauseingängen blühen wild die Stockseerosen. Ich entschließe mich, nur durch den Garten zu flanieren und entdecke im Bibelgarten Wein & Feigen. Während ich meine Kamera auf die Trauben scharfstelle, lässt mich mein Blick fast vergessen, dass ich in Schleswig bin. Es fühlt sich an, als ob ich in einem Garten in Südfrankreich stehe. Ist dieser Augenblick das von mir gesuchte nordische Savoir-vivre? Mit meinen Fingern streiche ich kräftig durch den Lavendel, bis sich sein Duft in meiner Nase festsetzt. Mit einer tiefen, innerlichen Ruhe verlasse ich das Klostergelände und notiere in meinen Gedanken:
„Schleswig, du bist wunderschön. Du bietest mir alles, was ich für mein Savoir-vivre brauche.
Schleswig, ich liebe dich. Du bist meine Heimat.“
Rélana
Autor
Liebe Dora, das freut mich sehr, dass dir mein kleiner Spaziergang durch Schleswig gefallen hat und schöne Erinnerungen in dir weckt. Ja auch Schleswig ist seit vielen Jahren im Wandel und nicht immer ist das “Neue” gelungen. Jedoch geblieben ist diese maritime Schönheit mit wundervollen Ruheoasen wie dem Holm und dem St.-Johanniskloster. Ich genieße hier meine kleinen Auszeiten vom Alltag und für die Touristen sind es schnuckelige Entdeckungspfade. Liebe Grüße Relana
Ein wunderschoenes Video ueber meine Geburtsstadt Schleswig. Ich habe heute noch Verbindungen zu meinen ehemaligen Mitschuelerinnen und Mitschuelern nach mehr als 6 Jahrzehnten. Aber der Holm hat sich doch sehr veraendert. Na, ja der Zahn der Zeit nagt nicht nur an uns.