Ein Spätsommertag an der Schlei
„Dürfen wir uns zu Ihnen setzen? Mein Mann bestellt gerade Kaffee und Kuchen am Tresen und bei Ihnen am Tisch sind die letzten beiden Plätze frei.“ Es ist einer dieser schönen Spätsommertage und ich sitze etwas gedankenversunken in einem kleinen Café in Arnis, als mich plötzlich ein lächelndes Gesicht einer älteren Dame anblickt. Alle Plätze im Café sind besetzt, die Siebträgermaschine gibt ihr Bestes, aber niemand drängelt. Die Menschen widmen sich entspannt ihrer Unterhaltung, genießen süße Köstlichkeiten und lassen sich schöne Dinge einpacken, die sie im hauseigenen Concept-Store entdeckt haben.
Als ich an diesem Sonntagmorgen beschließe, eine kleine Spaziertour entlang der Schlei zu machen, ahne ich noch nichts von dieser charmanten Begegnung mit dem Ehepaar aus Hamburg, einem Flohmarktschatz und wilden Apfelbäumen am Wegesrand.
So schön die morgendliche Spätsommeratmosphäre meines Gartens an diesem Sonntag auch ist, eine Spritztour entlang der Schlei ist zu verlockend, um nicht diese letzten, warmen Sonnenstrahlen dafür zu nutzen, gemütlich übers Land zu schnurren und auf Entdeckertour zu gehen. Ich beschließe, die kleinen Wege entlang der Schlei zu fahren, möchte hier und da stehenbleiben und hoffe, zufällig einen dieser wilden Apfelbäume zu finden, die jetzt Ende September in ihrer ganzen Pracht am Wegesrand zu finden sind. Zu meinem Glück fällt mir noch eine Flohmarktanzeige in die Hände. Mein Sonntagsprogramm steht – auf nach Arnis.
“Komm gerne auf ein Stück Kuchen vorbei, ruft sie mir noch zu.”
Ich sehe schon von Weitem, dass auf dem Tapeziertisch der Frau ein Schatz liegt, den ich seit langer Zeit finden will. Gezielt steuere ich ihren Stand an und erblicke einen alten Mamorkuchenteller. „Auf diesem Teller habe ich immer Käsehäppchen serviert“, sagt sie zu mir und erwähnt gleich mit, dass sie von diesen Tellern zu viele in ihrem Schrank hat und der Flohmarkt eine willkommene Gelegenheit ist, um schöne Stücke in neue Hände zu geben. Inmitten der langen Baumallee haben die Anwohner von Arnis vor ihren Häusern kleine Flohmarktstände aufgebaut. Es wird gelacht, geschnackt und in aller Ruhe kleine Schätze auf den Tischen verteilt. Gegenüber liegt das Café ‚Der Arnisser‘ und auch mit der Inhaberin Christina komme ich ungezwungen und mühelos ins Schnacken. „Um 13 Uhr öffnen wir. Komm gerne auf ein Stück Kuchen vorbei“, ruft sie mir noch zu, als ich ihren hübschen Innenhof verlasse.
Am Stand von Kareen und Jochen – schnell beim Du zu sein, ist eine, wie ich finde, sehr liebenswerte Tradition hier im Norden – finde ich noch zwei silberne Lampen, die ich zusammen mit meinem schweren Mamorkuchenteller einfach bei ihnen stehen lassen kann. So kann ich ohne schweres Gepäck leichtfüßig meine Spazierrunde durch Arnis fortsetzen. Ein paar Schritte weiter verlasse ich die Baumallee und biege ab in einen kleinen Pfad, der entlang des Ufers der Schlei führt. Links in dem kleinen Segelhafen klappern die Taue an den Masten der Segelboote und rechts wartet eine kleine Bucht auf mich, die mir einen fantastischen Blick über die Schlei bietet.
Vintage-Mobiliar & Birne Helene
Zurück in der Baumallee winkt mir Christina beim Betreten ihres Cafés wieder zu und erlaubt mir, ihre schönen Dekorationen fotografieren zu dürfen. Um mich herum entdecke ich schöne Blumenarrangements, altes Silber und Vintage-Mobiliar, was dem Café seinen Charakter gibt. Am Tresen bestelle ich bei ihrem Mann Oliver ein Stück Birne Helene und während die Siebträgermaschine meinen Kaffee brüht, halte ich meine Nase an eine Schale mit französischer Seife und atme die Atmospäre dieses schönen Cafés ein.
Nordisches Lebensgefühl
„Vielen Dank, dass wir uns zu Ihnen setzen dürfen“, lächelt mich die ältere Dame an und nimmt mir gegenüber am Tisch Platz. „Wissen Sie, mein Mann und ich kommen so gerne hierher. Es ist nicht nur wunderschön hier, sondern man darf hier auch fragen, ob man sich dazusetzen darf.“ Sie erzählt mir, dass sie in Hamburg leben und regelmäßig an die Schlei kommen. „Wir gehen spazieren, suchen uns ein schönes Lokal zum Mittagessen und entdecken charmante Cafés wie dieses.“ Ich denke: Da ist es wieder, dieses besondere Lebensgefühl, was Menschen kennenlernen, wenn sie zu uns in den Norden kommen. Das Unkomplizierte und Freundliche. Das Leben ruhig rauschen zu lassen und nicht höher, weiter, schneller zu wollen – mit einem Stück Birne Helene und einem geteilten Café-Tisch. Für eine Weile teilen wir unsere Geschichten und ich verrate beiden noch ein paar Insidertipps für ihren nächsten Ausflug.
“Hier hast du Zeit zu gehen, anstatt zu rennen.”
Es gibt in der Schleiregion einen Luxus, der nichts mit materiellen Dingen zu tun hat, sondern nur mit Zeit. Zeit, die Schlei beim Farbwechsel zu beobachten. Zeit, zu gehen, anstatt zu rennen. Zeit, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. An diesem Sonntag spüre ich wieder diesen Luxus und diese ehrliche Herzlichkeit der Menschen, die diese Region so liebenswert machen. Arnis gehört zu den beliebtesten Ausflugszielen der Schleiregion. Und trotz der vielen Besucher in den Sommermonaten, trifft man auf entspannte Menschen, die dich mit ihrer Herzlichkeit umarmen.
Mamor, Silber & Wilde Apfelbäume
Am späten Nachmittag folge ich meinem Plan und schnurre mit meinem Auto die kleinen Wege entlang der Schlei zurück nach Hause. Ich fahre kreuz und quer übers Land und wenn ich eine kleine Bucht entdecke, halte ich an und gönne mir einen langen Blick übers Wasser. Während ich meine Kamera auf das Schilf scharfstelle, denke ich an das Lächeln der Dame aus Hamburg, den witzigen Schnack mit Kareen und Jochen und einen Tag, der mich daran erinnert, dass die Schönheit des Lebens im Kleinen wächst – in dem was einem erst auffällt, wenn man langsam geht und den Menschen ein Lächeln schenkt. Auf der Rückfahrt erwische ich mich dabei, wie ich ganz tief einatme, als er plötzlich vor mir auftaucht: der wilde Apfelbaum in seiner ganzen Pracht mit roten Früchten.
Autor
Liebe Daniela,
ganz lieben Dank für deinen Kommentar. Ich freue mich, dass du dich eingeladen gefühlt hast, mit mir zu reisen. Fast so, als wären wir gemeinsam an der Schlei spazieren gegangen. Ich verspreche, es wird mehr von diesen charmanten Entdeckertouren geben. Liebe Grüße Relana
Ich bin verzaubert von Deinem tollen Beitrag! Ich liebe unseren Norden und war soeben beim Lesen mit Dir an der Schlei :0).
Gerne mehr von Deinen wundervoll geschriebenen Beiträgen!